Eine zunehmende Anzahl von Spezialisten für Learning and Development (L&D) finden nur schwer ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den globalen L&D-Maßnahmen und den lokalen bzw. BU-Maßnahmen. In diesem Artikel für das CrossKnowledge Corporate Learning Institute möchte ich einige Einblicke sowie mehrere bewährte Lösungen präsentieren, mit denen die CLOs das Gleichgewicht zwischen globalen und lokalen L&D-Maßnahmen verwalten können.
Dass unsere Welt immer schnelllebiger wird, ist nichts Neues. Für die Beschreibung dieser komplexen Veränderungen haben die Berater und Forscher mehrere Megatrends identifiziert, die es den Unternehmen besonders schwer machen, sich anzupassen und wettbewerbsfähig zu bleiben (Abb. 1).
- Technologische Konvergenz:
Durch neue technologische Durchbrüche befinden sich viele Bereiche des Tagesgeschäfts im Wandel. - Digitalisierung:
Die Arbeit verlagert sich weg vom Büro, und viele Menschen leben heute online. - Individualisierung:
Immer mehr Wahlmöglichkeiten und Optionen im Arbeitsleben - Demografischer Wandel:
Die Bevölkerung altert, und die Belegschaft setzt sich aus drei oder vier verschiedenen Generationen zusammen. - Wirtschaftlicher Abschwung:
Das Klima verändert sich, Rohstoffe werden knapp. - Globalisierung 2.0:
Die wirtschaftliche Macht verlagert sich, der Wettbewerb wird härter.
Quelle: Hay Group, 2015.
Innerhalb der Unternehmen wird von den L&D-Teams gefordert, mit weniger Mitteln mehr zu erreichen, für höhere Qualität zu sorgen und mehr Konsistenz zu schaffen. Dadurch entsteht größerer Druck, die Rollen neu zu definieren und deren Struktur neu zu bewerten.
Kurz nach einem Aufkauf stand ein großer internationaler Telekommunikationsanbieter vor schwierigen Herausforderungen im Bereich L&D: L&D wurde auf Ebene der Business Units verwaltet (Strategie, Inhalte, Budget), und es gab keine übergeordnete Trainingskonsistenz. Dies führte dazu, dass die Mitarbeiter nicht einfach die BU wechseln konnten, da ihnen bestimmte Fähigkeiten fehlten und nicht alle die gemeinsamen Kompetenzen aufwiesen. Aus einer globalen L&D-Prüfung ergaben sich die folgenden Empfehlungen:
- Entwicklung und Einführung eines globalen Kernstudienplans
- Ermittlung des optimalen Designs und Einsatz des Kernstudienplans: Was ist global, was gehört zur BU?
- Verbesserung des Studienplandesigns: Verbindung von Präsenz- und Onlinetrainings, Erweiterung um soziale und dem Arbeitsplatz angepasste Lernelemente
In der heutigen globalisierten Geschäftsumgebung ist es ein Risiko für L&D, an traditionellen Strukturen festzuhalten und auf den lokalen Arbeitsplatz fokussiert zu bleiben. Die Möglichkeiten stecken dagegen im Aufbau der lokalen Best Practices und ihrer Nutzung auf der globalen L&D-Ebene. Dabei ist auf eine direkte Verbindung zur zentralen Geschäftsstrategie zu achten. Um dies zu erreichen, muss L&D das optimale Gleichgewicht zwischen „Global“ und „Lokal“ finden (wobei „Lokal“ auch als „Business Unit“ interpretiert werden kann).
Vor- und Nachteile eines zentralisierten L&D
Die Herausforderung besteht darin, das richtige Gleichgewicht zwischen lokaler Selbstständigkeit und der globalen Ebene zu finden. In den letzten Jahren hat sich dieses Gleichgewicht im Bereich L&D von der lokalen auf die globale Ebene verlagert. Im Falle einer internationalen Bank ergab eine Prüfung, dass zwölf LMS-Systeme vorhanden waren, sich die Trainingsprogramme für die technischen Fähigkeiten und die Leadership überlappten und es keine ausreichende Klarheit über die Erfolgsmessung und Governance gab. Als Reaktion darauf wurde die erste globale L&D-Strategie entwickelt und eingeführt. Dies bedeutete eine Verlagerung von der lokalen auf die globale Ebene, was sich allerdings in der Praxis als Achterbahnfahrt erwies. Trotz der Effizienzmöglichkeiten wurde schnell klar, dass die Zentralisierung auch Nachteile hatte. Die wichtigsten Beispiele hierfür: Die Flexibilität und das Engagement auf lokaler Ebene gingen teilweise verloren. Bis das passende Gleichgewicht gefunden wurde und von Synergieeffekten profitiert werden konnte, verstrichen bei der betreffenden Bank fünf Jahre.
Aus den Gesprächen und Umfragen mit bzw. bei den Chief Learning Officers in Europa gewannen wir einen sehr guten Überblick über die Vor- und Nachteile einer L&D-Zentralisierung (Abbildung 2).
Vorteile
- Effizienz – Kosteneinsparung auf globaler Ebene
- Umfang und Konsistenz
- Globale Kontrolle
- Klarheit über die Entscheidungsfindung und die Investitionen
- Qualität der Technologie und der Inhalte
- Verbesserung der Best Practices
- Lieferanten-Sourcing – bevorzugte Lieferanten
Nachteile
- Höhere Kosten auf lokaler Ebene (kurzfristig)
- Flexibilitätseinbuße
- Motivationseinbuße auf lokaler Ebene (L&D + Sponsoren)
- Weniger Selbstständigkeit auf lokaler Ebene
- Standard < > individuelle Lösungen
- Geringere Produkteinführungszeit
- Flexibilität der lokalen Lieferanten
Abbildung des Ist- und Sollstands für das Spannungsfeld Global-Lokal – ein Modell des CrossKnowledge Corporate Learning Institutes (CLI)
Nachdem anerkannt war, dass die Globalisierung von L&D in einem Unternehmen ein langes und schmerzhaftes Unterfangen ist, bei dem sowohl die Struktur als auch die Kultur des Unternehmens berücksichtigt werden müssen, wurde deutlich, dass die einzige Antwort auf die Frage nach dem optimalen Gleichgewicht wie folgt lautete: „So global wie möglich, so lokal wie nötig.“
Dies wird den meisten obengenannten Vor- und Nachteilen gerecht und bietet den L&D-Führungskräften im Unternehmen die Möglichkeit, die Lücke zwischen der Realität und der Zielvorstellung in Ihrem Geschäftsumfeld zu erfassen. Die eingehende Untersuchung des globalen L&D-Betriebs eines Dienstleistungsunternehmens zeigte, dass alle beschriebenen Möglichkeiten und Herausforderungen vorhanden waren, und führte zur Entwicklung eines Modells, anhand dessen die CLOs die Lücke zwischen Global und Lokal ermitteln und als Basis für die Entwicklung und Umsetzung von Fortschrittsplänen verwenden konnten. Dieses Modell wurde nun vom CLI für die Anforderungen und Herausforderungen in internationalen Unternehmen optimiert (Abbildung 3).
Das Modell zeichnet sich insbesondere dadurch aus, Einblicke in die wichtigsten L&D-Motoren zu gewähren: Strategie, Technologie, Kennzahlen, Governance, Verfahren (702010), L&D-Mitarbeiter. Weiterhin werden die Schritte auf der Skala zwischen „Global“ und „Lokal“ aufgezeigt, ohne diese anordnen zu wollen.
Das Modell bietet allen Unternehmen die Möglichkeit, sowohl den Ist- als auch den Sollstand für die einzelnen L&D-Treiber zu definieren und einen Maßnahmenplan zu entwickeln. Das Modell geht nicht so weit, in alle Richtungen zu globalisieren: Eine zu 100 Prozent globalisierte Strategie und Technologie kann Hand in Hand mit einer kollaborativeren Governance gehen.
In den letzten zwei Jahren wurde das Modell von verschiedenen CLOs erfolgreich für die Beschreibung ihrer spezifischen L&D-Situation sowie für die transparente Darstellung ihrer aktuellen und zukünftigen L&D-Maßnahmen verwendet. Darüber hinaus konnte mit dem Modell bestimmt werden, wie so weit wie möglich in Richtung „Global“ gegangen werden kann – bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Vor- und Nachteile.
Bei der globalen L&D-Strategie und der lokalen Optimierung handelt es sich um untrennbare Ziele. Sie sind über ein Gleichgewicht erreichbar, das sich mit „So global wie möglich, so lokal wie nötig“ beschreiben lässt. Lokale Flexibilität sorgt für Agilität, Wachstum und Interesse bei der L&D-Gemeinde und bei Geschäftssponsoren. Alle diese Faktoren sind notwendig, um eine für alle Zwecke geeignete L&D-Organisation zu erreichen. In einem unserer nächsten Learning-Wire-Artikel werden wir untersuchen, wie CLOs durch den Einsatz einer „Global-Local-Technologie“ und eines inhaltlichen Rahmens eine höhere Effizienz, eine bessere Qualität und mehr Konsistenz in ihrem L&D-Betrieb erreichen können.