Lerntrends

Dem Fachkräftemangel erfolgreich begegnen – Nachhaltige Strategien zur Entwicklung von Kompetenzen und Skills

Dauer 6 minutes Aktualisiert am
Entwicklung von Kompetenzen

Geschrieben von Sven Elbert, September 2020

Der Fachkräftemangel – Ist das Thema nach COVID-19 überhaupt noch relevant?

Vor Corona berichteten 90% der europäischen Unternehmen von einer signifikanten Lücke an qualifizierten Fachkräften in ihrem Personalbedarf, und 79% sahen den Fachkräftemangel und die Entwicklung der Kompetenzen der Mitarbeiter als sehr wichtig für ihre Organisation an. Allerdings hat die Pandemie die organisatorischen Prioritäten verschoben, denn fast alle Unternehmen mussten sich zunächst auf die unmittelbaren Herausforderungen konzentrieren. Und während sich also nun die wirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns global entfalten, spüren viele Unternehmen den Druck auf Kosteneffizienz und Cashflow. Infolgedessen dürften die Arbeitsmärkte für einige Quartale, wenn nicht sogar Jahre, ein Überangebot an Arbeitskräften für verschiedenste Berufe aufweisen. Auf der anderen Seite treibt die wahrgenommene Arbeitsplatzunsicherheit die „Generation C“ (C steht normalerweise für Connected, aber nun wohl leider auch für Corona) in resiliente, systemrelevante Sektoren des Arbeitsmarktes, was bei vielen Unternehmen wahrscheinlich zu einem unerwarteten Versorgungsengpass bei jungen (Top-)Talenten führt.

Wenn sich die Volkswirtschaften in den nächsten Monaten stabilisieren und dann wieder zu wachsen beginnen, werden die übergreifenden Trends, die einen Großteil der vorpandemischen Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ausgelöst haben, wieder auftauchen. Die alternde Belegschaft wird nämlich weiterhin Druck auf viele europäische Volkswirtschaften ausüben, während die digitale Transformation und Fortschritte in der künstlichen Intelligenz die Beschäftigungslandschaft insgesamt weiter verändern werden. Während es für einige Jobs eine vorübergehende Erleichterung geben könnte, werden der Fachkräftemangel und die Kompetenzlücken nicht wirklich verschwinden. Somit ist die Entwicklung von Kompetenzen unerlässlich.

Welche Qualifikationen werden benötigt, um Kompetenzlücken zu schliessen ? Verschiebungen im aktuellen und zukünftigen Bedarf

Bis zum Jahre 2030 wird die Nachfrage nach körperlichen und manuellen Fähigkeiten sinken. Insbesondere wird die Nachfrage nach Kompetenzen zum Betrieb von allgemeinen Geräten und Maschinen, aber auch nach sämtlichen Kompetenzen zur Durchführung von Inspektions- und Wartungsarbeiten zurückgehen. Außerdem wird die Nachfrage nach grundlegenden kognitiven Fähigkeiten, wie Dateneingabe und Datenverarbeitung, aber auch Lese-, Rechen- und Kommunikationsfähigkeiten voraussichtlich um etwa 15% abnehmen.

Demgegenüber wird die Nachfrage nach sozialen und emotionalen Fähigkeiten, aber auch nach technologischen Fähigkeiten erheblich steigen. Die Fosway-Studie zu den Realitäten des Digitalen Lernens für 2020 zeigt, was die fünf wichtigsten Prioritäten für L & D-Abteilungen sind: Führung und Management, Teamarbeit, Analytics und Data Science, Projekt-, Veränderungs- und Transformationsfähigkeiten, sowie zwischenmenschliche Fähigkeiten (siehe Abbildung 1).

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Abbildung 1 Bedeutung verschiedener Kompetenzbereiche für die zukünftige Entwicklung der Unternehmen. Fosway Group, Learning Realities Survey, Februar 2020.
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The Big Struggle – Die Rolle von Recruiting und betrieblicher Bildung im Spannungsfeld des Fachkräftemangels

Sowohl Recruiting- als auch Learning & Development-Teams spielen eine extrem wichtige Rolle beim Schließen von Qualifikationslücken. Während sich Recruiter vorwiegend mit dem externen Angebot befassen, konzentriert sich L&D klassischerweise auf Upskilling und Reskilling. In der betrieblichen Praxis sind diese beiden Funktionen jedoch selten gut aufeinander abgestimmt. Bis vor einigen Jahren galt die strategische Personalplanung als das wichtigste Instrument, um diese Lücke zu schließen. Indem diese Planung den langfristigen Bedarf an Kompetenzen und Qualifikationen bereitstellte und Aussagen darüber traf, wie dieser durch interne und externe Ressourcen bedient werden könnte, sollte sowohl dem Recruiting- als auch dem L&D-Bereich eine Richtung vorgegeben werden. Dieser Ansatz erscheint für viele Organisationen leider überhaupt nicht mehr zeitgemäß und mitunter völlig ungeeignet, den Herausforderungen einer pandemiebeschleunigten VUCA-Welt zu begegnen, in der sich die Geschäftsmodelle vieler Organisationen existenzbedrohend verändern.

So verwundert es nicht, dass viele Unternehmen derzeit auf interne Talent-Marktplätze setzen, um ihre Belegschaft schneller und flexibler dort einzusetzen, wo Bedarfe bestehen. Denn auf diese Weise können auf effiziente Weise freie Kapazitäten für die Durchführung von abteilungsübergreifenden Projekten eingesetzt werden.

Dadurch, dass immer mehr Projekte in kleinere, überschaubarere Teile zerlegt und dann auf dem Talent Marketplace angeboten werden, werden natürlich auch Recruiter immer stärker in diese innovative Art interner Personalbeschaffung einbezogen. Aber auch aus L&D-Perspektive sind diese Projekte oder Gigs ein mindestens ebenso wichtiges, wie interessantes Gebiet. Denn einerseits bedeuten sie für die Mitarbeiter hochinteressante Entwicklungsperspektiven, um sich neue Skills anzueignen. Sie stellen eine nahezu einzigartige Gelegenheit für Mitarbeiter dar, wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln, sich im Flow-of-Work wichtige neue Kompetenzen anzueignen und ihr eigenes Können zu verbessern, und so gehen sie weit darüber hinaus was formale Lernformate leisten können (egal ob als digitales, virtuelles oder als Präsenzformat). Andererseits sind sie daher auch für Organisationen von unschätzbarem Wert, da diese Projekte „ungeahnte Kräfte freisetzen“ und auch viele L&D-Bereiche haben bereits das hierin liegende Potenzial erkannt.

Talent-Marktplätze können also als eine echte Brücke zwischen Recruiting und betrieblicher Bildung bauen, um nachhaltigen Unternehmenserfolg sicherzustellen. Die Marktmechanismen von Skill-Angebot und Skill-Nachfrage reduzieren dabei viele der mikropolitischen und zeitlichen Reibungsverluste, die wir aus strategischer Personalplanung, Job Rotation, Enlargement oder Enrichment oder aus aufwändigen internen Stellenausschreibungsprozessen kennen.

Wie Kompetenzlücken geschlossen werden

In unserer Studie zu den Realitäten des Digitalen Lernens haben uns Praktiker über die unterschiedlichen Ansätze Auskunft gegeben, mit denen sie Qualifikationslücken schließen. Die folgende Grafik zeigt die verwendeten Ansätze und hebt hervor, wo sich jeder auf der Adoptionskurve befindet.

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Abbildung 2: Ansätze zum Schließen von Skill Gaps. Fosway Group, Learning Realities Survey, Februar 2020.
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Beachten Sie, dass diese Umfrage vor COVID-19 eröffnet wurde, daher die relativ niedrigen Akzeptanzwerte für digitale, virtuelle oder Online-Angebote. An Position 13 der Liste der von Organisationen verwendeten Ansätze findet sich (einigermaßen gut versteckt) auch der Punkt „Manager entwickeln ihr Team“. Als wir dann aber fragten, welcher der Ansätze den größten Einfluss auf das Schließen von Qualifikationslücken hatte, sahen die L&D-Experten die Entwicklung ihrer Mitarbeiter durch die Führungskraft als am wirkungsvollsten an. Während die Rolle von Managern beim Schließen von Qualifikationslücken also ein wesentlicher Treiber für den Erfolg zu sein scheint, haben etwa 50% der Unternehmen diesen Ansatz noch nicht einmal in ihrem L & D-Toolbox.

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Abbildung 3:Top 5 Ansätze mit dem größten Einfluss auf das Schließen von Skill-Gaps
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Natürlich hat die Pandemie einen Einfluss auf diese Ergebnisse gehabt. So zeigen unsere Studien hinsichtlich der Auswirkungen von COVID-19 auf L&D einige aufschlussreiche Ergebnisse. So bewähren sich die Ausgaben für digitales Lernen als die belastbarsten aller L&D-Ausgaben seit Beginn der Pandemie. In vielen Organisationen haben sie über (fast) alle Bereiche digitalen Lernens hinweg zugenommen (die Ausnahme sind Ausgaben für externe Teams). Demgegenüber haben 25% der Unternehmen die Ausgaben für interne und 50% der Unternehmen die Ausgaben für externe Veranstaltungen zurückgefahren. Ebenso sanken die Ausgaben für die Veranstaltungsadministration.

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Abbildung 4: Anteil der Organisationen mit steigenden/sinkenden L&D Ausgaben seit Beginn der Pandemie. Fosway Group: Wie verändert COVID-19 die betriebliche Weiterbildung, Juni2020. © Copyright Fosway Group Limited. Alle Rechte vorbehalten

Des Weiteren zeigen sich bestimmte Arten von digitalen Lerninhalten als potenziell effektiver als andere. Hier führen insbesondere Video-Inhalte, kuratierte Inhalte sowie mobiles Lernen die Liste an. Aber ganz egal in welcher Form die Lerninhalte bereitgestellt werden – eine Verankerung des Gelernten in der betrieblichen Praxis wird auch durch Corona nicht überflüssig (ganz im Gegenteil), und auch der Einfluss der Führungskraft hat sich durch die Pandemie sicherlich nicht grundsätzlich verändert.

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Abbildung 5: Welche Art von Lerninhalten haben ihre Organisation seit Beginn von Corona am besten unterstützt?
Fosway Group: Wie verändert COVID-19 die betriebliche Weiterbildung, Juni2020.


ÜBER FOSWAY GROUP

Fosway Group ist der führende europäische Analyst im Bereich Personalmanagement. Unser Fokus liegt auf der nächsten Generation von HR, Talent Management, Recruiting und Learning. Seit unserer Gründung 1996 sind wir für unsere einzigartigen Studien des europäischen Marktes, unsere Unabhängigkeit und unsere Integrität bekannt. Ebenso wie die römische Heerstraße, namens Fosse Way, die unseren Firmennamen inspirierte, werden Sie uns außergewöhnlich direkt finden. Wir haben kein eigennütziges Interesse daran, für welche Anbieter oder welche Beratungshäuser Sie sich letztendlich entscheiden. Ob Sie also unabhängige Studien, spezifische Ratschläge oder einen „kritischen Freund“ suchen, der für Sie den Dschungel des Markthypes durchdringt – wir können Ihnen sagen, was Sie wissen müssen, um Erfolg zu haben.