Obwohl sich L&D in den letzten 60 Jahren in den Unternehmen etabliert hat, gibt es eine Frage, die immer wieder gestellt wird: Wie kann die Wertschöpfung von L&D gemessen und nachgewiesen werden? In den Gesprächen, die wir kürzlich mit mehr als 50 CLOs geführt haben, zeigte sich, dass zahlreiche Learning-Abteilungen sich schwer damit tun, die Auswirkung ihrer Programme zu belegen. Viele CLOs halten den ROI nicht immer für das beste und ultimative Maß für die Bestimmung der Wertschöpfung des modernen L&D.
In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihren eigenen jährlichen Learning-Bericht erstellen und die Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit bei den wichtigsten Geschäftsakteuren deutlich verbessern können.
Der ROI ist nicht immer die Lösung
Die kritische Diskussion über die Messung der Wertschöpfung von L&D dreht sich um gängige Modelle wie das Modell von Kirkpatrick. Im letzten Jahrzehnt hat sich diese Modell (Kirkpatrick, 1998) als eines der beliebtesten Auswertungswerkzeugen für Trainingsprogramme bewiesen. In der Forschung hat sich aber gezeigt, dass dem stetigen Lernen in den auf dem ROI basierenden Modellen wie dem von Kirkpatrick und Philips zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daher sind diese Modelle für das moderne L&D nicht geeignet. Wie Kaufman (1996) feststellt, bezieht sich das Kirkpatrick-Modell nur auf persönliches Training mit einem Trainer; andere L&D-Aktivitäten wie informelles Lernen bleiben unberücksichtigt. In einem vorherigen Papier, das auf den Forschungen der Universität Maastricht basierte, schlugen wir das Learning Performance Model (LPM) als bessere Alternative für das heutige L&D vor.
In unserem Artikel „Die Wahrheit über den ROI – ein Performancemodell für das Learning“ beschreiben wir, wie sich mit dem LPM die Wertschöpfung des modernen L&D besser nachweisen lässt. Wie weiter unten ersichtlich, handelt es sich beim LPM um ein zweistufiges Modell, das die Wertschöpfung von L&D indirekt über eine höhere Mitarbeiterperformance nachweist. Das LPM konzentriert sich auf L&D-Maßnahmen wie Digitales und Blended Learning, persönliches Training mit einem Trainer sowie formales und informelles Lernen. Es handelt sich dabei um Maßnahmen mit einer direkten Auswirkung auf die Mitarbeiterperformance (sowohl Kompetenz als auch Motivation), die sich wiederum in der finanziellen und organisatorischen Performance niederschlägt. Unter der Prämisse, dass das LPM-Modell für moderne L&D-Aktivitäten besser geeignet ist, möchten wir in diesem Artikel noch näher auf die Frage eingehen, wie sich die Wertschöpfung von Learning und Development mit geeigneten Metriken nachweisen lässt.
Um sich ein Bild darüber zu verschaffen, welche L&D-Messverfahren am weitesten verbreitet sind, hat das CrossKnowledge Learning Institute (CLI) mit mehr als 50 CLOs und HR-Experten Gespräche geführt. Die Gesprächsergebnisse wurden im Annual Learning Report (ALR) zusammengefasst, unserem Rahmenwerk für die wichtigsten Maße, mit denen Sie Ihren eigenen jährlichen Learning-Bericht erstellen und so die Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit Ihrer L&D-Aktivitäten steigern können.
Glaubhafte Messverfahren für die Leistung von L&D
Während andere Funktionen wie das Marketing, die IT und die Finanzverwaltung nicht ständig eine geschäftliche Wertschöpfung nachweisen müssen, stehen viele CLOs fortwährend und dem Druck, die Existenz von Learning und Development rechtfertigen zu müssen. In unseren Gesprächen mit mehr als 50 CLOs und HR-Experten fiel uns auf, dass zahlreiche L&D-Abteilungen Schwierigkeiten damit haben, eine solche Wertschöpfung zu belegen. Ein wichtiger Grund dafür sind die fehlenden zuverlässigen Messverfahren. Auch die Tatsache, dass im Vorhinein meist nur begrenzt Ziele für L&D geplant und definiert werden, macht ein zuverlässiges Berichtswesen schwierig. Darüber hinaus verfügen CLOs nur über eingeschränkte Erfahrung mit dem Sammeln und Analysieren von Daten während und nach den Learning-Maßnahmen. In letzter Zeit wird das Fehlen eines strukturierten Berichtswesens und einer professionellen Kommunikation als Ursache für die Schwierigkeiten angegeben, die Wertschöpfung von L&D nachzuweisen. Es gibt unter den CLOs eine allgemeine Bewegung hin zur Erforschung neuer Wege, um die Business Leader mit zuverlässigen Metriken vom L&D-Wettbewerbsvorteil zu überzeugen.
Zusätzlich zu den zehn am am weitesten verbreiteten Metriken erfuhren wir von unseren Gesprächspartnern, dass die Nachfrage nach L&D-Metriken nicht in allen Branchen dieselbe ist. Im Finanzsektor werden beispielsweise allgemeine Compliance-Metriken für das Unternehmen benötigt; die Erfüllung der lokalen gesetzlichen Anforderungen werden zusätzlich mit spezifischen lokalen Metriken gemessen. In der Öl- und Gasindustrie herrschen strenge Vorschriften für Gesundheits- und Sicherheitstrainings. Diese sind für die gesamte Belegschaft verpflichtend und müssen nachweislich den Richtlinien der Branche und der externen Regulatoren entsprechen. Die Metriken müssen zur Reife des Unternehmens passen – manche L&D-Funktionen müssen nur die „L&D-Basisdaten“ an die jeweiligen Akteure berichten, andere haben sich zu strategischen Geschäftspartnern entwickelt, von denen erwartet wird, die Auswirkung von L&D auf das Unternehmen zu zeigen, häufig zum Beispiel anhand des Dow Jones Sustainabilty Index oder des Fortune’s-Index „Best 100 Companies to work for“.
Sowohl die Branche als auch die Reife des Unternehmens können die spezifischen Anforderungen an starke, zuverlässige Metriken beeinflussen.
Schließlich gaben unsere Gesprächspartner an, dass für die Zusammenstellung leistungsstarker, zuverlässiger Metriken ein strukturierter Ansatz notwendig sei. Auf welche Weise L&D eine Wertschöpfung für das Unternehmen generiert, kann in verschiedenen Fragestellungen abgebildet werden. Auf Basis des LPM können zwei solche Fragestellungen definiert werden. Zunächst einmal stellt sich die Frage, welche L&D-Aktivitäten von L&D angeboten werden und wie diese funktionieren. Dies entspricht der Grundlage des Learning Performance Models, das sich auf Learning- und Entwicklungsaktivitäten fokussiert. Die zweite Frage lautet: Welche Auswirkungen auf die Performance oder Effektivität besitzen die L&D-Aktivitäten? Der Effekt der L&D-Aktivitäten auf die Mitarbeiter und das Unternehmen wird im LPM durch die Mitarbeiterperformance und die geschäftlichen Ziele abgebildet. Je nach Unternehmensreife muss L&D einen starken Überblick über zuverlässige Metriken zusammenstellen, die zum Unternehmen passen. Das CLI hat einen Rahmen entwickelt, mit dem Sie Ihren eigenen jährlichen Learning-Bericht erstellen können.
Annual Learning Report
Aus unseren Gesprächen mit mehr als 50 CLOs und HR-Experten ergaben sich sechs verschiedene Cluster mit zuverlässigen Metriken für Ihren jährlichen Learning-Report. Gemäß den Anforderungen in Ihrem Unternehmen können Sie relevante Metriken für die beiden obengenannten Themenbereiche wählen:
Welche L&D-Aktivitäten werden von L&D angeboten, und wie funktionieren diese?
- L&D-Basisdaten: Überblick über die Kennzahlen für die in Ihrem Unternehmen angebotenen grundlegenden L&D-Aktivitäten. Grundlegende L&D-Aktivitäten, über die berichtet wird.
- L&D-Effizienz: Über die grundlegenden L&D-Beiträge hinaus zeigen diese Kennzahlen, wie effizient L&D war. Wurde mit dem Input ein maximaler Output generiert?
- Digital Learning: Spezifische Kennzahlen für Unternehmen, in denen Digital Learning eingeführt wurde. Diese Kennzahlen sind ein Indikator für den Entwicklungsstand des Digital Learning. Wie weit ist Digital Learning im Unternehmen fortgeschritten, und zahlt es sich aus?
- L&D-Betrieb & erzielte Leistungen: Überblick über quantitative Kennzahlen und qualitative Beschreibungen. Wie führt die L&D-Abteilung Ihre Geschäfte?
Welche Auswirkungen auf die Performance oder Effektivität besitzen die L&D-Aktivitäten?
- Allgemeine L&D-Effektivität: Indikatoren für die Auswirkung von L&D-Maßnahmen. In welchem Umfang wirken sich die L&D-Maßnahmen auf die Mitarbeiterperformance und die geschäftlichen Ziele aus?
- L&D-Effektivität bei spezifischen strategischen Herausforderungen: Indikatoren für die Auswirkung auf bestimmte strategische Unternehmensachsen. In welchem Umfang wirken sich die L&D-Maßnahmen auf die Performance neuer Mitarbeiter und Talente und auf die Leadership innerhalb des Unternehmens aus?
Die nächste Herausforderung für die Führungskräfte im Bereich Learning ist es, die individuellen Kennzahlen zu einem integrierten jährlichen Learning-Report zu aggregieren und so die Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit zu verbessern. Unser Annual Learning Report ist ein Rahmen, der sie dabei unterstützen kann. Wie Ihr jährlicher Learning-Bericht aussieht, hängt stark von einer geeigneten Zielsetzung und der Datensammlung und -analyse ab. Wir möchten unterstreichen, dass sich Ihr jährlicher Learning-Bericht an der Reife Ihres Unternehmens und den Anforderungen der Geschäfts- und HR-Akteure orientieren muss. Dies bedeutet, dass es keinen für alle Unternehmen geeigneten jährlichen Learning-Bericht gibt, sondern der jeweilige Bericht auf den Bedarf der wichtigsten Stakeholder im Unternehmen zugeschnitten werden muss.
Welches sind nach unserer Präsentation der verschiedenen zuverlässigen Metriken als Bestandteile Ihres integrierten jährlichen Learning-Reports nun die nächsten Schritte? Wie können Sie einen jährlichen Learning-Report erstellen, der die Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit Ihres L&D stärkt?
Wie können Sie Ihre Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit verbessern?
Wir gehen davon aus, dass die CLOs Ihre Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit noch weiter stärken können und empfehlen zu diesem Zweck die Prüfung der im Annual Learning Report genannten Cluster und Kennzahlen. Im Anschluss daran sollten, abgestimmt auf die jeweiligen spezifischen Fähigkeiten und Umgebungen die folgenden Schritte ausgeführt werden:
- Analyse der Anforderungen an das Berichtswesen über L&D in Ihrem Unternehmen:
- Prüfen Sie, inwieweit Sie relevante L&D-Daten sammeln können.
- Wählen Sie die für Ihre Anforderungen geeigneten Kennzahlen für Ihren Annual Learning Report.
- Entwerfen Sie Ihren ALR, und lassen Sie ihn von den entsprechenden L&D- und HR-Akteuren kommentieren.
- Erstellen Sie eine zweite ALR-Fassung, und lassen Sie sie von Ihren geschäftlichen Geldgebern kommentieren.
- Entwickeln Sie auf Basis des Feedbacks einen für das Unternehmen maßgeschneiderten Rahmen für den Learning-Bericht. Geben Sie als Ziel einen quartalsmäßigen Bericht an die wichtigsten L&D-Stakeholder vor. An das Geschäft im weiteren Sinne bzw. an die HR- und L&D-Gemeinde sollten Sie jährlich berichten.
Lernstrategien nutzen nur dann, wenn sich sich an den Unternehmenszielen orientieren. L&D kann nicht in einem Vakuum betrieben werden. Bei L&D geht es nicht um das Lernen zum Selbstzweck, sondern darum, die Mitarbeiter und Teams mit den Werkzeugen auszurüsten, die sie für die jeweilige geschäftliche Zielerreichung benötigen. Der Annual Learning Report bildet eine starke Basis für den Nachweis, dass die L&D-Aktivitäten sich an der geschäftlichen Strategie orientieren und zum Geschäftsergebnis beitragen. Wir sind davon überzeugt, dass der ALR zur Wahrnehmung der L&D-Führungskräfte als glaubwürdige und respektable Geschäftspartner beitragen kann. Weiterhin lassen sich anhand des ALR fortwährend die Performance und der Erfolg verfolgen und die Möglichkeiten für eine weitere Unternehmensentwicklung erkennen.
REFERENZEN
- Kirkpatrick, D. L. (1998). Evaluating Training Programs (2nd edition). San Francisco: Berrett-Koehler Publishers.
- Kaufman, R., Keller, J., & Watkins, R. (1996). What works and what doesn’t: Evaluation beyond Kirkpatrick. New Directions for Philanthropic Fundraising.